Zum Inhalt der Seite

Covid-19 und Arbeitsrecht

Das Fürstentum Liechtenstein befindet sich – wie die meisten europäischen Länder – seit einiger Zeit im Ausnahmezustand. Aufgrund der „Coronakrise“ kommt das öffentliche Leben zum Stillstand. Die Regierung des Fürstentums hat in den letzten Tagen immer wieder neue drastische Massnahmen erlassen, welche die Liechtensteiner Bevölkerung und auch viele PendlerInnen ganz unterschiedlich betreffen und vor allem in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten verunsichern. In diesem Beitrag setzen wir uns in diesem Zusammenhang mit diversen Fragen auseinander.

Lohnfortzahlung allgemein

Grundsätzlich erhält ein Arbeitnehmer nur dann den vereinbarten Lohn, wenn er auch die vereinbarte Arbeitsleistung erbringt. Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt es bei Annahmeverzug des Arbeitgebers – also wenn die Arbeit aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen nicht geleistet werden kann – und unter gewissen Umständen auch bei Verhinderung des Arbeitnehmers, so z.B. wenn dieser erkrankt.

Schliesst der Arbeitgeber seinen Betrieb aus eigenem Anlass, weil er bspw. Angst vor der Pandemie hat, so ist er zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Die Arbeitnehmer schulden keine Nachleistungspflicht der Arbeitszeit (ausser bei sehr kurzen Betriebsschliessungen). Der Arbeitnehmer muss sich aber auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat

Gleiches gilt grundsätzlich bei der Schliessung eines Betriebs aufgrund behördlicher Anweisung, auch wenn dies den Arbeitgeber stark belasten kann. Der Arbeitnehmer kann allerdings auf Grund seiner Treuepflicht unter Umständen dazu verpflichtet werden die „verpassten“ Arbeitszeiten nachzuholen.

Bleibt jedoch der Arbeitnehmer ohne offizielle behördliche Anweisung der Arbeit bspw. aus Angst vor einer Ansteckung fern, handelt es sich in diesem Falle um eine unbegründete Arbeitsverweigerung. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung des Arbeitgebers, bei anhaltender Verweigerung kann der Arbeitgeber gar die fristlose Kündigung aussprechen.

Krankheit und Lohnfortzahlung

Wird der Arbeitnehmer krank und kann deshalb seine Arbeitsleistung nicht erbringen, hat ihm der Arbeitgeber (grundsätzlich) für eine gewisse Zeit den Lohn weiterzubezahlen, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist. Die Dauer der Lohnfortzahlung hängt von der Anzahl der Dienstjahre des Arbeitgebers ab. Dies gilt auch bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers an COVID-19.

Da in Liechtenstein (grundsätzlich) jeder Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer obligatorisch eine Krankentaggeldversicherung abschliessen muss, übernimmt die Versicherung nach einer gewissen Wartefrist das Krankengeld, wobei dadurch mindestens 80% des Lohnes gedeckt sein müssen.

Betreuungsaufgaben und Lohnfortzahlung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einem Elternteil gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses die zur Betreuung kranker Kinder erforderliche Zeit im Umfang bis zu 3 Tagen pro Krankheitsfall frei zu geben. Unter Umständen kann ein Arbeitnehmer aber auch länger von der Arbeit befreit werden, wenn dies aus medizinischen Gründen gerechtfertigt ist. Die Eltern haben sich allerdings zu bemühen, weitere Absenzen bei geeigneter Organisation zu verhindern. Das gleiche gilt im Grundsatz auch für die Pflege/Betreuung anderer kranker Angehöriger.

Ist der Arbeitnehmer aufgrund von Schulschliessungen unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert, weil ihn eine gesetzliche Pflicht zur Betreuung seiner (auch gesunden) Kinder trifft, muss ihm der Arbeitgeber während eines beschränkten Zeitraumes den Lohn weiter entrichten. Die Eltern haben sich allerdings zu bemühen, weitere Absenzen bei geeigneter Organisation zu verhindern.

(Bezüglich Kinderbetreuung aufgrund von Schulschliessungen ist anzumerken, dass in der Lehre und Rechtsprechung Uneinigkeit über die Pflicht zur Lohnfortzahlung besteht. Das Arbeitsgericht Zürich hat im Jahr 2010 im Zusammenhang mit der Schweinegrippe entschieden, dass im Fall einer Schulschliessung zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus kein Fall von persönlicher Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers vorliege und deshalb eine Lohnfortzahlungspflicht verneint.)

Überstunden

Aufgrund der derzeitigen Situation rund um COVID-19 ist es denkbar, dass in Betrieben Arbeitskräfte ausfallen und der Arbeitgeber darauf angewiesen ist, dass andere Mitarbeiter Überstunden leisten.

Der Arbeitnehmer kann gestützt auf § 1173a Art. 6 ABGB verpflichtet werden, mehr zu arbeiten, als in seinem Arbeitsvertrag vorgesehen ist, wenn dies durch die Umstände gerechtfertigt ist. Im Falle einer Pandemie, die zum Ausfall vieler Arbeitskräfte führt, ist es gerechtfertigt, dass die Arbeitnehmer Überstunden leisten. Ihre persönliche Situation ist dabei aber zu berücksichtigen, insbesondere ihre Familienpflichten.

Umgekehrt kann ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmenden nicht zwingen, Überstunden zu kompensieren. Die Kompensation von Überstunden durch Freizeit setzt die Zustimmung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus. Dabei müssen sie sich über den Grundsatz der Kompensation, über den genauen Zeitpunkt und deren Dauer einigen. Wurde allerdings dem Arbeitgeber vertraglich das Recht eingeräumt, die Kompensation einseitig anzuordnen, ist dies zulässig. Ob dies, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise und im Hinblick auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers absolut gilt, ist unseres Erachtens jedoch fraglich.

Ferien

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien bestimmt. Er muss aber auf die Wünsche des Arbeitnehmers Rücksicht und hat sein Recht auf Bestimmung der Ferien so rechtzeitig auszuüben, dass dem Arbeitnehmer ausreichende Zeit bleibt, die Gestaltung seiner Ferien vorauszuplanen. Im Allgemeinen muss diese Frist wenigstens drei Monate betragen und gilt auch für Zwangsferien bzw. Betriebsferien, denn selbst betriebliche Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, den Ferienzweck durch allzu kurzfristige Ferienbestimmung zu vereiteln.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie bedeutet dies, dass der Arbeitgeber, der seinen Betrieb schliessen möchte bzw. muss, mangels rechtzeitiger Vorankündigung nicht einfach Betriebsferien einführen und seine Angestellten „in die Ferien schicken“ kann.

Der Arbeitgeber kann die Arbeitnehmer auch nicht zum Bezug von unbezahltem Urlaub zwingen. Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine oder nicht genügend Arbeit anbieten, gerät er in Annahmeverzug und ist zur Lohnfortzahlung verpflichtet (siehe oben).

Die Verschiebung von bereits vereinbarten Ferien ist nur aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigt. Immerhin muss aus dringlichem und unvorhergesehenem betrieblichen Bedürfnis eine Änderung des Ferienzeitpunkts akzeptiert werden. Die Verschiebung muss dem Arbeitnehmer innert kürzester Frist kommuniziert werden. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer den entstandenen Schaden (z.B. Stornierungskosten) ersetzen.

Kündigung

Unbefristete Arbeitsverhältnisse können grundsätzlich von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten bzw. gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Ist der Arbeitnehmer jedoch erkrankt und deshalb an der Arbeitsleistung verhindert, legt das Gesetz Sperrfristen fest, innert welcher der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen darf. Diese Sperrfrist variiert je nach Anzahl der Dienstjahre und beträgt im ersten Dienstjahr 30 Tage, ab dem zweiten Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage.

Kurzarbeit

Aufgrund der derzeitigen Situation hat es die Regierung mit Verordnung vom 17.03.2020 ermöglicht, auch im Fall einer Pandemie Kurzarbeit auf Antrag hin zu bewilligen. Die Verordnung ist mit Kundmachung in Kraft getreten und gilt vorerst bis 30.06.2020. Sie soll es Unternehmen, die infolge des Coronavirus und dessen Auswirkungen einen Arbeitsausfall erleiden, ermöglichen und auch erleichtern, für ihre Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigungen geltend zu machen.

Kurzarbeit bedeutet die durch den Arbeitgeber im Einverständnis mit den betroffenen Arbeitnehmern angeordnete vorübergehende Reduktion der vertraglichen Arbeitszeit, wobei die arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung aufrechterhalten bleibt. Damit sollen Arbeitslosigkeit verhindert und Arbeitsplätze erhalten werden.

Alle Infos, Merkblätter, Formulare etc. zu diesem Thema findet man auf der Homepage des Amts für Volkswirtschaft:

https://www.llv.li/inhalt/12206/amtsstellen/kurzarbeitsentschadigung-kae

Ruggell, 18. März 2020 LO