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Nachehelicher Unterhalt

Auch heute werden (mit jährlichen Schwankungen) immer noch rund 30 bis 50 % der geschlossenen Ehen wieder geschieden. Das Liechtensteinische Scheidungsrecht geht bei der Thematik Ehegattenunterhalt vom Grundsatz aus, dass ein Ehepaar die Folgen der in der Ehe gewählten Aufgabenteilung gemeinsam zu tragen hat. Gleichzeitig gilt im nachehelichen Unterhaltsrecht der – wenn immer möglich – auf einen «clean break» abzielende Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit. Der veränderte Bedarf beider Ehegatten im Falle der Ehescheidung ist wenn möglich durch Eigenleistungen zu decken. Ein Unterhaltsbeitrag ist nur dann, aber grundsätzlich immer dann geschuldet, wenn einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufzukommen.

Die Frage, ob überhaupt nachehelicher Unterhalt zu bezahlen ist und wenn ja, in welchem Ausmass und wie lange, hängt von verschiedenen, in jedem einzelnen Scheidungsfall näher zu prüfenden Kriterien ab. Zu beantworten sind im Wesentlichen folgende Fragen:

  • Was sind die massgebenden Lebensverhältnisse bzw. war die konkret gelebte Ehe lebensprägend oder nicht?
  • Welches ist die zumutbare Eigenversorgung im Hinblick auf den neu zu umschreibenden nachehelichen Bedarf und inwiefern ist diese Eigenversorgung im Vergleich zu jener des anderen geschiedenen Ehegatten unzureichend?
  • Wo liegen die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten?
  • Besteht trotz unzureichender Eigenversorgung des Anspruchsberechtigten und an sich gegebener Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ein Ausschlussgrund wegen grober Unbilligkeit?

Die durch eine Scheidung herbeigeführten wirtschaftlichen Nachteile sind in aller Regel nur ausgleichspflichtig, wenn die Ehe lebensprägend geworden ist. Ob dies zutrifft, muss jeweils im Einzelfall beurteilt werden. Typische Beispiele für eine lebensprägende Ehe sind Ehen, aus denen Kinder hervorgegangen sind, die weiterhin zu betreuen sind oder langdauernde Ehen. Ein typisches Beispiel für eine nicht lebensprägende Ehe ist dagegen eine kurze (weniger als 5 – 10 Ehejahre), kinderlose Ehe.

Die zumutbare Eigenversorgung des Unterhaltsansprechenden ist von verschiedenen Faktoren (Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung mit der Aussicht auf entsprechende Vermögenserträge, weiterer künftiger Vermögensanfall, Ertrag aus selbstgenutzten Vermögenswerten, Anwartschaften aus der beruflichen oder privaten Vorsorge, tatsächliche und hypothetische Erwerbseinkünfte etc.) abhängig und Bedarf einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Beurteilungskriterien. In der Praxis spielen vor allem tatsächliche und hypothetische Erwerbseinkünfte des Unterhaltsansprechenden eine Rolle. Zwar kann das Gericht einen geschiedenen Ehegatten nicht zum Wiedereinstig oder zur Aufstockung einer schon während der Ehe ausgeübten Erwerbstätigkeit verpflichten. Sofern eine (zusätzliche) Erwerbstätigkeit nach der Scheidung aber nicht nur tatsächlich möglich, sondern auch zumutbar ist, wird dem Geschiedenen ein entsprechendes hypothetisches Einkommen mit Rücksicht auf die Eigenversorgung aufgerechnet (was wiederum den zu bezahlenden Unterhalt entsprechend reduziert). Bei der Abklärung dieser Zumutbarkeit sind wiederum die konkreten Umständen des Einzelfalls (Betreuungspflichten gegenüber unmündigen Kindern, lange Ehedauer in Verbindung mit einer traditionellen Rollenteilung und Alter des Unterhaltsansprechenden, persönliche Umstände wie Krankheit oder Invalidität usw.) zu berücksichtigen.

Würde durch die Gewährung des Unterhalts der eigene Unterhalt des Unterhaltsverpflichteten bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen gefährdet, braucht er nur soviel zu leisten, als mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (Art. 68 Abs. 3 Ehegesetz). Dies bedeutet mit anderen Worten, dass dem Unterhaltsverpflichteten trotz Unterhaltszahlung ein gewisses Mass an finanziellen Mitteln verbleiben zu hat. Auf der anderen Seite hat – wie der Unterhaltsberechtigte – auch der Unterhaltsverpflichtete nach Kräften für sein Einkommen zu sorgen, widrigenfalls er bei der Berechnung des Unterhalts auf ein hypothetisches bzw. hypothetisch höheres Einkommen angespannt werden kann.

Ein nachehelicher Unterhaltsbeitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre und jedem Gerechtigkeitsempfinden zweifelsfrei widerspräche. Im Vordergrund steht dabei der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs. Ein Verschulden kann, braucht aber nicht unbedingt vorzuliegen. Das Gesetz nennt in diesem Zusammenhang folgende Fälle:

  1. Die berechtigte Person hat ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt.
  2. Die berechtigte Person hat ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt.
  3. Die berechtigte Person hat gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Personen eine schwere Straftat begangen.

Haben Sie Fragen zum Thema nachehelicher Unterhalt oder allgemein zum Thema Ehescheidung? Wir beraten und vertreten sie gerne und können dabei dank reichlicher Praxis auf fundiertes Fachwissen zurückgreifen.

Ruggell, 17. Mai 2021   LO